Unzählige Markenrechte ausländischer Markeninhaber wurden in den letzten Monaten im russischen Markenregister gelöscht. Das russische Gericht für geistiges Eigentum (SIP), das sich ausschließlich mit Streitigkeiten um geistiges Eigentum beschäftigt, hat die meisten Löschungen bestätigt, zuletzt mit seiner Entscheidung vom 10. November 2025 (Aktenzeichen Nr. SIP-1096/2024), durch das die Marke der Schweizer Firma Inventra AG auf Antrag eines Einzelunternehmers gelöscht wurde. Amazon, Inditex, Nokia, Molecule und viele andere ausländische Unternehmen haben in diesem Jahr Rechtsstreitigkeiten in Russland – und damit ihren Markenschutz in Russland - verloren.
Dabei haben sich die Rechtsgrundlagen für den Markenschutz in Russland nicht geändert. Grund für die vielen Löschungen ist vielmehr, dass relativ viele ausländischen Unternehmen seit Frühjahr 2022 ihren Vertrieb in Russland eingestellt haben.
Nach russischem Recht kann der Markenschutz annulliert werden, wenn eine Marke für drei Jahre oder mehr in Russland nicht mehr genutzt wird. Da sich viele ausländische Unternehmen erst im Verlaufe der Jahre 2023 und 2024 vom russischen Markt zurückgezogen haben, wird es aller Voraussicht nach noch zu vielen weiteren Markenannulierungen bzw. -streitigkeiten kommen.
Der Markenrechtsschutz gilt grundsätzlich zehn Jahre und kann verlängert werden. Allerdings können die Markenrechte auch vor Fristablauf verloren gehen, wenn sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden. Kurze Unterbrechungen der Markennutzung sind unschädlich.
Wenn allerdings eine Marke drei Jahre oder länger nicht genutzt wird, kann der Markenschutz auf Grundlage von Artikel 1486 des russischen Zivilgesetzbuches („ZGB“) aufgehoben werden. Genau dies ist die Grundlage für die derzeitigen Annulierungsklagen. Eine ähnliche Regelung ist im Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (kurz „TRIPS“, Anhang 1C zum Marrakesch-Übereinkommen der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994) enthalten – also international die Regel.
Eine Aufhebung des Markenschutzes ist danach möglich, wenn:
- weder der Rechteinhaber noch andere bevollmächtigte Personen die Marke für die angemeldeten Kategorien von Waren oder Dienstleistungen nutzen;
- seit Beginn des Rechtsschutzes der Marke drei Jahre vergangen sind;
- die Dauer der ununterbrochenen Nichtnutzung drei Jahre oder mehr beträgt;
- und keine vom Rechteinhaber unabhängigen Umstände vorliegen, die die Benutzung der Marke unmöglich machen (wie z.B. staatliche Beschränkungen oder gesetzliche Verbote).
Die „Nutzung einer Marke” setzt konkret die Einfuhr, den Verkauf oder die sonstige Einfuhr von Waren mit Markenschutz in den Rechtsverkehr auf dem Gebiet der Russischen Föderation durch den Rechteinhaber oder eine andere Person voraus, die die Marke unter der Kontrolle des Rechteinhabers verwenden darf.
Durch die EU-Sanktionen ist die Lieferung von vielen Waren und Dienstleistungen nach Russland verboten. Dies macht es ausländischen Unternehmen zwar unmöglich, Waren nach Russland zu verkaufen. Allerdings können sich Markeninhaber nur auf russische Verbote oder gesetzliche Beschränkungen berufen, um ihren Markenschutz nicht zu verlieren.
Die Kennzeichnung von Produkten im Lager, die Anbringung auf Schildern, Etiketten, in der Werbung, in Printmedien, in der Gestaltung eines Online-Shops oder einer Informationswebsite der Marke gelten nicht als Nutzung, so die Position des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation. Auch der Verkauf von Waren durch unberechtigte Dritte ändert hieran nichts. Der Markeninhaben kann sich daher gerade nicht darauf berufen, dass seine Waren im Wege des Parallelimports ohne seine Zustimmung in Russland verkauft werden – was derzeit verbreitet ist. Der Parallelimport war bis 2022 weitestgehend unzulässig, ist jetzt aber für eine Vielzahl von Produkten erlaubt und gewollt, um den Bedarf in Russland zu befriedigen.
Rospatent, das russische Patentamt, verfolgt die Nichtbenutzung zwar nicht, es gibt keine Löschung von Amts wegen. Aber Wettbewerber oder beliebige Dritte können Löschungsanträge stellen und dies ist derzeit eben recht verbreitet – zum Nachsehen der Rechteinhaber. Das Anfechtungsverfahren umfasst eine vorgerichtliche Phase (Vorschlag, freiwillig auf die Marke zu verzichten, oder eine Vereinbarung über die Übertragung der ausschließlichen Rechte zu schließen) und anschließend das Klageverfahren. Die Beweislast für die Tatsache und die Umstände der Nutzung der Marke liegt dabei beim Rechteinhaber. Er hat also nachzuweisen, daß Waren mit Markenschutz nach Russland eingeführt und verkauft werden.
Die vorzeitige Beendigung des Markenschutzes führt zum Verlust der ausschließlichen Rechte des Inhabers an der entsprechenden Bezeichnung – der ehemalige Inhaber kann die Marke nicht mehr für seine Produkte verwenden oder darüber verfügen.
Wenn der Schutz nur für einige wenige Warenbezeichnungen aufgehoben wird, bleiben seine Rechte in Bezug auf die übrigen Waren bestehen.
Hier einige Beispiele für bereits annullierte Marken westlicher Unternehmen:
Klage der Aurora+ LLC gegen Leroy Seafood A/S (Norwegen) – April 2024
Klage von „Design Park“ gegen KARAKAS TEKSTIL SANAYI VE TICARET LIMITED SIRKETI (Türkei) – August 2024
Klage wegen einer Reihe von Marken von R-Klimat gegen Telefonaktiebolaget L.M. Ericsson (Schweden) – Oktober 2024
Klage von Artur Safin gegen Klaus August Gobbels (Deutschland) – November 2024
Klage von Agro Expert Group LLC gegen EUROESPES BIOTECNOLOGIA, S.A. (Spanien) – Mai 2025
Klage von Qmed BioTech Corp (Seychellen) gegen Pharmaceuticals Co., Ltd. (Japan) – August 2025
Klagen der Hongkonger Firma Multigoods Production Limited gegen Amazon (Luxemburg) und Nokia (Finnland) – Juni 2025, sowie gegen Inditex, S.A. (Spanien) im Juli 2025 und Molekule, Inc (USA) – Oktober 2025.
Und obwohl russische Unternehmen, die die westlichen Marken nutzen möchten, aktiv die „politische Karte“ auszuspielen versuchen, gelingt ihnen dies in Streitigkeiten über Markenlöschungen wegen Nichtbenutzung nicht immer. So wurde die Löschung von Marken u.a. in folgenden Verfahren abgelehnt:
OOO Bit Trade gegen Bitmain Technologies Limited;
OOO „Terlazurra“ gegen OOO „Reussir“ mit dem ausländischen Ausrüstungslieferanten REGEN Biotech, Inc.;
AO STROJRESSURS gegen Canon Kabushiki Kaisha;
Auch in anderen Streitigkeiten um Markenzeichen gelang die Argumentation mit der „politischen Karte“ nicht:
Anerkennung der Ablehnung der Registrierung des Markenzeichens von LLC „Century Tobacco Industries”, das dem Markenzeichen von Wilh. von Eicken GmbH (Deutschland) ähnelt;
Erfolgreiche Klage auf Entschädigung gegen die LLC „General Service” wegen Verletzung der ausschließlichen Rechte an den Marken der KÖGEL Trailer GmbH (Deutschland).
Es ist daher stets empfehlenswert, die Rechtsposition des Markeninhabers zu analysieren und zu prüfen, ob im jeweiligen Fall Erfolgsaussichten gegen Markenlöschungsklagen bestehen.