Newsletter: "Subsidiäre Gesellschafterhaftung für „aufgegebene” Unternehmen erweitert"

Das Plenum des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation hat am 19. November 2025 eine Übersicht über die Gerichtspraxis bei Unternehmensstreitigkeiten zur Haftung von kontrollierenden Personen für Verpflichtungen nicht mehr existierender oder aufgegebener juristischer Personen veröffentlicht und Streitfragen höchstrichterlich geklärt.

 

Die rechtlichen Feststellungen des Obersten Gerichtshofs sind für die untergeordneten Gerichte bindend und sollen zu einer Vereinheitlichung der Gerichtspraxis und damit zu mehr Rechtssicherheit führen.

 

Zusammenfassend hat der Oberste Gerichtshof die subsidiäre Haftung kontrollierender Personen russischer juritischer Personen – und damit den Gläubigerschutz - erweitert.

 

Gläubiger von Unternehmen, die bereits aus dem Handelsregister gelöscht wurden oder faktisch ihre Tätigkeit eingestellt haben und „aufgegeben“ wurden, haben nunmehr bessere Möglichkeiten, mit Erfolg gegen die Gesellschafter bzw. andere kontrollierende Personen vorzugehen.   

 

Nachstehend die 18 Leitsätze des Obersten Gerichtshofs, die die Grundlage  für  die  erweiterte Haftung schaffen bzw. klarstellen. Auf die Wiedergabe der umfassenden Begründungen haben wir hier verzichtet, diese können unter diesem Link Тематические обзоры — Верховный Суд Российской Федерации nachgelesen werden.

 

1. Kontrollierende Personen können subsidiär haftbar gemacht werden, wenn eine Wirtschaftsgesellschaft als nicht aktive juristische Person aus dem Einheitlichen Staatlichen Register Juristischer Personen (EGRUL) ausgetragen wird, wenn aufgrund ihres Verhaltens die Begleichung der Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern dieser Gesellschaft unmöglich geworden ist.

       

2. Bei Streitigkeiten über die subsidiäre Haftung von kontrollierenden Personen hat der Gläubiger das Vorliegen und die Höhe der Schulden, das Vorliegen von Anzeichen für eine nicht mehr existierende juristische Person beim Schuldner und die Tatsache nachzuweisen, dass die Beklagten die kontrollierenden Personen des Schuldners waren.

 

3.  Wenn sich die kontrollierenden Personen des Schuldners weigern, die Informationen und Unterlagen vorzulegen, die zur Klärung der Gründe für die Unmöglichkeit der Begleichung der Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger erforderlich sind, wird davon ausgegangen, dass die vollständige Tilgung der Verbindlichkeiten der nicht mehr existierenden juristischen Person aufgrund von Handlungen dieser Personen unmöglich geworden ist.

 

4. Ein fehlender Einspruch des Gläubigers gegen die bevorstehende Löschung des Schuldners aus dem EGRUL nach Veröffentlichung der Entscheidung über diese Löschung schließt nicht aus, später die subsidiäre Haftung der kontrollierenden Personen geltend zu machen.

 

5. Die kontrollierenden Personen können für die Verbindlichkeiten einer nicht mehr existierenden juristischen Person subsidiär haftbar gemacht werden, deren Mittel unter Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung des Vermögens für persönliche Zwecke der kontrollierenden Personen verwendet wurden, wenn dies zu Umständen geführt hat, unter denen die Begleichung der Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger unmöglich geworden ist.

 

6. Die gleichzeitige Ausübung der Funktionen des Geschäftsführers einer Wirtschaftsgesellschaft durch den einzigen Gesellschafter ist keine ausreichende Voraussetzung, um diesen Gesellschafter für die Verbindlichkeiten einer nicht mehr existierenden juristischen Person subsidiär haftbar zu machen.

 

7. Der Gläubiger ist berechtigt, schon vor der Austragung des Schuldners aus dem EGRUL eine Klage auf subsidiäre Haftung gegen die kontrollierenden Personen zu erheben, wenn die juristische Person ihre Tätigkeit faktisch eingestellt hat.

 

8. Eine Klage auf subsidiäre Haftung der kontrollierenden Personen ist nicht zulässig, wenn bei der juristischen Person Vermögen ermittelt wird, das zur Befriedigung der Forderungen des Gläubigers ausreicht und im Rahmen des in Artikel 64 Absatz 52 des russischen Zivilgesetzbuches vorgesehenen Verfahrens zu verteilen ist.

 

9. Die kontrollierenden Personen können für die Verbindlichkeiten einer nicht mehr existierenden juristischen Person subsidiär haftbar gemacht werden, auch wenn die Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger vor Inkrafttreten von Artikel 31 Absatz 3 des GmbH-Gesetzes entstanden sind.

 

10. Die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus subsidiäre Haftung von kontrollierenden Personen beginnt an dem Tag, an dem der Gläubiger von den Gründen für die Haftung der kontrollierenden Personen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

 

11. Das Vorliegen eines Gerichtsbeschlusses, der die Schulden einer aus dem EGRUL ausgeschlossenen juristischen Person bestätigt, ist keine zwingende Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruchs auf subsidiäre Haftung der kontrollierenden Personen durch den Gläubiger.

 

12. Die kontrollierenden Personen, die für die Verbindlichkeiten einer nicht mehr existierenden juristischen Person subsidiär haftbar gemacht werden, sind berechtigt, dieselben Einwände geltend zu machen, die auch der Hauptschuldner hätte geltend machen können, einschließlich Einwände hinsichtlich des Ablaufs der Verjährungsfrist.

 

13. Auf den Betrag der Schuld, die sich aus der subsidiären Haftung ergibt, werden Zinsen berechnet, die nach den Regeln von Artikel 395 Absatz 1 ZGB bis zum Zeitpunkt der Begleichung der Schuld durch die kontrollierende Person berechnet werden.

 

14. Die nominelle Ausübung der Funktionen eines Geschäftsführers eines Wirtschaftsunternehmens durch eine Person befreit diese Person nicht von der subsidiären Haftung für die Verpflichtungen einer nicht handelnden juristischen Person.

 

15. Ein Minderheitsgesellschafter eines Wirtschaftsunternehmens wird für die Zwecke der subsidiären Haftung nicht als kontrollierende Person anerkannt, solange nicht nachgewiesen ist, dass er tatsächlich die Möglichkeit hatte, die Handlungen der juristischen Person zu bestimmen.

 

16. Ein ehemaliger Gesellschafter einer Wirtschaftsgesellschaft, der keine Auszahlung des tatsächlichen Wertes seines Anteils erhalten hat, ist berechtigt, eine Klage auf subsidiäre Haftung der kontrollierenden Person zu erheben, wenn die Entscheidung über den Austritt aus der Gesellschaft in einer Zeit getroffen wurde, in der die juristische Person ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausübte.

 

17. Das Vorliegen einer nicht beglichenen Schuld bei einer nicht mehr bestehenden juristischen Person ist kein Grund, die Eintragung über ihre Austragung aus dem EGRUL gerichtlich für ungültig zu erklären. Voraussetzung für die Stattgabe einer entsprechenden Klage ist ein Verstoß der Registrierungsbehörde gegen die Vorschriften für die Durchführung von Registrierungshandlungen.

 

18. Klagen auf subsidiäre Haftung von kontrollierenden Personen für Verbindlichkeiten einer nicht mehr existierenden juristischen Person werden in der Regel vom Schiedsgericht des Subjekts der Russischen Föderation geprüft, in dem die juristische Person vor ihrem Ausschluss aus dem EGRUL ihren Sitz hatte.

 

Für Fragen hierzu, sowie zu gesellschaftsrechtlichen Fragen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.