Bisher haben Unternehmen in Russland bei Liquidation ihres Unternehmens häufig die gesetzlichen Abfindungen an ihre Angestellten nicht vollständig ausgezahlt. Mit Änderungen des russischen Arbeitsgesetzbuches und des Gesetzes „Über die staatliche Registrierung juristischer Personen und Einzelunternehmen“ ist dies nun nicht mehr möglich.
Am 13. August 2020 sind Änderungen in Kraft getreten, nach denen eine Liquidierung nur erfolgen kann, wenn alle gesetzlich zwingend vorgesehenen Abfindungen vollständig an die Mitarbeiter ausgezahlt wurden. Die Arbeitnehmerrechte werden dadurch – zumindest auf dem Papier – gestärkt.
Die Gesetzänderung folgte auf eine Entscheidung des russischen Verfassungsgerichts vom 19. Dezember 2018, in der das Verfassungsgericht klarstellte, dass Art. 178 (1) des Arbeitsgesetzbuches insoweit verfassungswidrig war, wie der Abfindungsanspruch der Mitarbeiter für ein garantiertes Durchschnittgehalt bei Liquidation ins Leere läuft.
Die Kündigungsfrist bei Liquidation beträgt zwei Monate. Mitarbeiter, die gekündigt werden, arbeiten also bei vollem Lohn zwei Monate weiter bis zum letzten Arbeitstag, an dem die sogenannte „Endabrechnung“ zu machen ist. Die „Endabrechnung“ beinhaltet ausstehende Lohnzahlungen, Vergütung für nicht genommenen Urlaub, Boni etc. – und eben Abfindungszahlungen. Mitarbeiter, die wegen Liquidation entlassen werden, haben einen Abfindungsanspruch von zunächst einem Monatsgehalt, diese Abfindung wird mit der Endabrechnung ausgezahlt.
Mitarbeiter, die im ersten Monat nach Kündigung keine neue Arbeit finden, haben einen Anspruch auf eine zusätzliche Abfindung von einem weiteren Monatsgehalt für den zweiten Monat ab dem Entlassungsdatum. Um diese zusätzliche Abfindung vom Arbeitgeber zu erhalten, hat der Mitarbeiter dies dem Arbeitgeber spätestens innerhalb von 15 Werktagen nach dem Ende des zweiten Monats ab dem Entlassungstag mitzuteilen. Die Auszahlung hat spätestens innerhalb von 15 Tagen zu erfolgen (also am Ende des dritten Monats).
In Ausnahmefällen kann das Arbeitsamt den Arbeitgeber zur Zahlung eines dritten Monatsgehalts verpflichten, wenn der Mitarbeiter sich innerhalb von 14 Werktagen ab dem Entlassungsdatum an das Arbeitsamt gewandt hat, aber in den ersten beiden Monaten keine neue Arbeit gefunden hat. Dafür ist aber ein gesonderter Beschluss des Arbeitsamtes erforderlich. Liegt dieser vor, kann sich der Mitarbeiter wiederum innerhalb von 15 Werktagen nach dem Ende des dritten Monats an den Arbeitgeber wenden, um den letzten Teil seiner Abfindung zu erhalten. Diese letzte Abfindung ist dann vom Arbeitgeber innerhalb von 15 Tagen zahlbar.
Damit sich Liquidationen durch die Gesetzesänderungen nicht verzögern, kann der Arbeitgeber wählen, ob er die zusätzlichen Abfindungen wie oben beschrieben schrittweise auszahlt, oder einmalig. So können die Abfindungen an den Arbeitnehmer für den zweiten und dritten Monat im Voraus zusammen mit der Endabrechnung gezahlt werden. Eine weitere Option ist, nur die Abfindung für den zweiten Monat mit der Endabrechnung auszuzahlen, und für den dritten Monat nach Ermessen des Arbeitgebers aber vor Ablauf des vierten Monats nach der Kündigung.
Sämtliche Zahlungen sind vor der Eintragung der Liquidierung des Unternehmens zu leisten. Im Antrag auf Eintragung der Liquidierung an die Steuerbehörden, die das russische Handelsregister führen, ist die Bezahlung sämtlicher arbeitsrechtlicher Ansprüche zu bestätigen und ggf. nachzuweisen. Andernfalls erfolgt keine Eintragung des Liquidationsvermerks.