Die genaue Abgrenzung zwischen grundsätzlich erlaubter Kontrolle / Beherrschung einer ausländischen Tochtergesellschaft von einer verbotenen Unterstützungsleistung und / oder das Umgehungsverbot war lange nicht klar möglich.
Mittlerweile haben jedoch sowohl das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) als auch die EU-Kommission in ihren Antworten auf frequently asked questions („FAQ“) folgendes ausgeführt:
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
49. Können Handelsgeschäfte eines russischen Tochterunternehmens (oder einer Tochtergesellschaft in einem Drittstaat) mit Gütern des Annex XXIII VO (EU) 833/2014 mit russischen Personen in Russland bzw. zur Verwendung in Russland der deutschen Muttergesellschaft als Verstoß gegen Art. 3k Abs. 1 zugerechnet werden?
Grundsätzlich ist denkbar, dass einer deutschen Mutter bestimmte Geschäfte einer Auslandstochter, die im Eigentum oder unter der Kontrolle der deutschen Mutter steht, EU-sanktionsrechtlich zurechenbar sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Mutter steuernd Einfluss auf konkrete, EU-sanktionsrelevante Geschäfte der Tochter nimmt, wenn die Tochtergesellschaft gegründet wurde, um die Sanktionen zu umgehen oder wenn die Tochtergesellschaft Lieferungen übernimmt, die vor Verhängung der Exportverbote von der deutschen Mutter oder in der EU belegenen Tochtergesellschaften erbracht wurden (Hinweis auf Umgehungsgeschäfte).
Alleine der Umstand jedoch, dass Güter im Sinne des Annex XXIII durch eine Auslandstochter vollständig im Ausland (einschl. Russland selbst) produziert und von dort nach (in) Russland vertrieben werden, genügt nicht für eine Zurechnung. Dies gilt auch dann, wenn die deutsche Muttergesellschaft bestimmte Basisdienstleistungen für die Auslandstochter erbringt, die keinen Bezug zu den konkreten, ggf. EU-sanktionsrelevanten, Geschäftsentscheidungen haben (z.B. IT- und Buchhaltungsdienstleistungen) und für sich genommen keine technische Hilfe im Sinne des Art. 3k Abs. 2 Buchst a)
darstellen.“
EU-Kommission - Allgemeine Fragen
14. Gilt die Verordnung 883/2014 des Rates für russische Tochtergesellschaften von EU-Muttergesellschaften?
„Die EU-Sanktionen gelten nicht extraterritorial. Gemäß Artikel 13 gilt die Verordnung:
i. im Hoheitsgebiet der Union
ii. an Bord eines Luftfahrzeugs oder eines Schiffs, das der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats unterliegt
iii. für jede Person innerhalb oder außerhalb des Gebiets der Union, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt
iv. für jede juristische Person, Organisation oder Einrichtung innerhalb oder außerhalb des Gebiets der Union, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurde
v. für jede juristische Person, Organisation oder Einrichtung in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise innerhalb der Union getätigt werden.
Daher müssen die EU-Sanktionen von allen EU-Personen – sowohl natürlichen als auch juristischen – und somit von allen in der EU ansässigen Unternehmen, einschließlich der Tochtergesellschaften russischer Unternehmen in der EU, befolgt werden. Russische Filialen von EU-Unternehmen sind EU-Personen und unterliegen somit der Verordnung. Im Gegensatz dazu sind russische Tochtergesellschaften von EU-Muttergesellschaften nach russischem Recht und nicht nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet und unterliegen daher nicht den entsprechenden Maßnahmen. Allerdings ist es EU-Muttergesellschaften verboten, ihre russischen Tochtergesellschaften dazu zu benutzen, die für die EU-Muttergesellschaft geltenden Verpflichtungen zu umgehen, indem sie beispielsweise Entscheidungen, die den Sanktionen umgehen, an sie delegieren oder solche Entscheidungen der russischen Tochtergesellschaft genehmigen.“
Beschränkungen bezogen auf Ausfuhr
35. Inwieweit sind die Sanktionen verbindlich für (i) Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen außerhalb der EU und (ii) EU-Bürger, die außerhalb der EU wohnen oder arbeiten? Wie sollten sich russische Unternehmen, die sich im Besitz oder unter der Kontrolle eines EU-Unternehmens befinden, im Lichte der Sanktionsverordnung verhalten? Darf eine in Russland ansässige Tochtergesellschaft durch ein EU-Unternehmen produzierte Waren, die unter die Sanktionsverordnung fallen, an andere russische Unternehmen verkaufen, wenn diese Waren in den Räumlichkeiten der russischen Tochtergesellschaft vorrätig sind? Würde dies als Umgehung angesehen werden?
„Der Anwendungsbereich der Sanktionsverordnung ist in Artikel 13 festgelegt; EU-Sanktionen sind nicht extraterritorial anwendbar. Die Sanktionsverordnung gilt unter anderem für jede Person innerhalb oder außerhalb des Gebiets der Union, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, sowie für jede juristische Person, Organisation oder Einrichtung innerhalb oder außerhalb des Gebiets der Union, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurde. Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen werden nach dem Recht des Aufnahmestaates gegründet und unterliegen somit dem Recht des Staates der Gründung. Dennoch unterliegen EU-Bürger, die für diese Tochtergesellschaft arbeiten, persönlich den EU-Sanktionen und können für die Teilnahme an Transaktionen, die gegen die EU-Sanktionen verstoßen, persönlich haftbar gemacht werden. Selbst wenn die Tochtergesellschaft selbst an der Transaktion beteiligt ist, können beispielsweise EU-Bürger, die die Transaktion begünstigen, der Umgehungsklausel unterliegen, wenn sie an Tätigkeiten teilnehmen, deren Zweck oder Wirkung darin besteht, das Hauptverbot zu umgehen. Außerdem wären Entscheidungen der ausländischen Tochtergesellschaft, die von der EU-Muttergesellschaft genehmigt werden müssen, insofern relevant, als letztere in Bezug auf ihre eigenen Handlungen gebunden ist.“