Indexierung von Arbeitslöhnen in Russland zwingend?

Ob Arbeitslöhne in Russland einer zwingenden Indexierung unterliegen, ist seit langem umstritten und unklar. Ende 2017 hat das russische Arbeitsministerium ein Schreiben veröffentlicht, indem das Ministerium die Meinung vertritt, eine fehlende Indexierung von Arbeitslöhnen stelle einen Gesetzesverstoß dar. Im Schreiben geht es allerdings um einen Fall, wo die Indexierung tarifvertraglich festgelegt war und ein konkretes Indexierungsverfahren fehlte. Das Schreiben hat in der Geschäftswelt große Resonanz hervorgerufen. Viele Unternehmen wollen wissen, ob eine Indexierung von Arbeitslöhnen generell und zwingend für alle Unternehmen gilt oder nicht. 

Artikel 134 des Arbeitsgesetzbuches (ArbGB) sieht eine Lohnindexierung im Zusammenhang mit dem Anstieg der Verbraucherpreise vor. Ob die Indexierung zwingend ist, wird im Gesetz nicht explizit erwähnt. Darüber hinaus ist kein Verfahren zur Indexierung oder ihre Häufigkeit für Unternehmen geregelt. Aus der schwammigen Formulierung folgern viele Unternehmen, dass die Indexierung nicht zwingend ist, es sei denn, sie ist in einer Betriebsordnung geregelt. 

Die letzte Gesetzesinitiative einiger Parlamentsabgeordneter Nr. 1119655-6 vom 6.7.2016, eine zwingende konkretere Lohnindexierung im Arbeitsgesetzbuch zu regeln, wurde von der russischen Regierung abgelehnt. Der Gesetzesentwurf ist am 22.09.2017 endgültig im rus-sischen Parlament gescheitert. 

Das russische Verfassungsgericht hat sich mehrfach mit der Thematik der Indexierung befasst. Zunächst einmal hat das Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von Art. 134 ArbGB bestätigt. Es hat auch festgestellt, dass die Lohnindexierung für alle Arbeitgeber gilt, nicht nur für staatliche Unternehmen, oder solche, die aus dem Haushalt finanziert werden.

Die Richter haben zudem klargestellt, dass eine Indexierung bei Unternehmen nicht nur durch Tarifvertrag, sondern auch durch Betriebsordnungen und vor allem arbeitsvertraglich festgelegt werden kann (Beschluss des Verfassungsgerichts vom 19.11.2015 Nr. 2618-O, Beschluss des Verfassungsgerichts vom 17.06.2010 Nr. 913-O-O).

Rostrud, die für die Überwachung der Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen zuständige oberste Behörde, teilt die Ansicht des Verfassungsgerichts. Rostrud geht indes sogar weiter als das Verfassungsgericht: Die fehlende Regelung des Indexierungsverfahrens für Unter-nehmen befreie Arbeitgeber nicht von der Indexierungspflicht. 

Diese Position vertreten auch teilweise die örtlichen Arbeitsinspektionen, die auf lokaler Ebene die Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen überwachen. In Moskau z.B. hat die Arbeitsinspektion gegen Unternehmen, die über keine Indexierung in den Betriebsordnungen verfügten, Bußgelder in Höhe von 30.000 RUB verhängt (Beschluss des Moskauer Stadtgerichts vom 18.09.2015 Nr. 7-9856/15, Beschluss des Moskauer Stadtgerichts vom 20.08.2015 Nr. 7-8854/15).

Viele Gerichtsurteile verpflichten Unternehmen ebenfalls, Indexierungsregelungen einzufüh-ren, allerdings ohne Bußgelder zu verhängen (Berufungsbeschluss des Gerichtskollegiums für Verwaltungssachen des Moskauer Landgerichts vom 21.09.2015 Nr. 33-22551/2015, Berufungsbeschluss des Gerichtskollegiums für Verwaltungssachen des Murmansk Landgerichts vom 07.05.2014 Nr. 33-1287-2014).

Nur in Einzelfällen konnten die Arbeitnehmer Streitigkeiten über die Lohnindexierung gewinnen. So hat ein Gericht ein Unternehmen gezwungen, Gehälter zu indexieren. Das Gericht meinte, dass das Fehlen die Indexierungsregelungen in der Gesellschaft das Recht des Arbeitnehmers auf Lohnindexierung nicht verletzen dürfe (Entscheidung des Landgerichts Krasnodar vom 11.08.2014 Nr. 4g-8161/2014, Beschluss des Gerichtskollegiums des Land-gerichts Primorje vom 16.05.2013 Nr. 33-3880).

Auf der anderen Seite gibt es viele Gerichte, die die Meinung vertreten, die Indexierung in Betriebsordnungen sei nicht zwingend und hänge vom Willen des Arbeitgebers ab (Berufungsbeschluss des Moskauer Stadtgerichts vom 18.11.2015 Nr. 33-34393/15, Berufungsbeschluss der Zivilkammer des St. Petersburger Stadtgerichts vom 30.01.2014 Nr. 2-838/14). Dieser Meinung folgen wir ebenfalls. Auch wenn gewisse Risiken bestehen, dass eine fehlende Indexierung z.B. durch die Arbeitsinspektion als Rechtsverstoß betrachtet werden kann, sind die Risiken bzw. die damit verbundenen Rechtsfolgen überschaubar.