Newsletter: "Präzedenzfall: Russische IT-Händler haften für Weigerung ausländischer Unternehmen, Software-Support-Leistungen zu erbringen"

Der Oberste Gerichtshof der Russischen Föderation hat mit Urteil vom 1. Dezember 2025 (Az. Nr. 307-ES-25-4565) entschieden, dass ein russischer IT-Distributor gegenüber dem Endkunden für die Einstellung des Software-Supports haftet, auch wenn dies auf die Einstellung des Supports durch den ausländischen Rechteinhaber zurückzuführen ist.

 

Die Präzedenzentscheidung wurde in einem Rechtsstreit mit einer IT-Holding getroffen, die Zertifikate für den technischen Support von Hewlett Packard Enterprise (HPE) verkaufte. Die Vorinstanzen hatten die Verantwortung dem amerikanischen Unternehmen auferlegt, das für den Support seiner Produkte zuständig war, sich jedoch aus Russland zurückgezogen hatte. Der Oberste Gerichtshof entschied nun jedoch, dass der russische Verkäufer dem Endkunden einen Teil des Geldes für nicht erbrachte Support-Leistungen zurückerstatten muss.

 

Der Oberste Gerichtshof hat die Verantwortung von Herstellern und russischen Händlern ausländischer IT-Produkte gegenüber russischen Käufern damit neu gestaltet – zum Nachteil der russischen Händler.

 

Ähnliche Gerichtsstreitigkeiten wurden in den letzten drei Jahren  unterschiedlich beschieden: die überwiegende Mehrheit der Entscheidungen  fielen zugunsten der Distributoren aus, aber einige Händler wurden  zur Haftung herangezogen.

 

Im Jahr 2021 erwarb die Firma Inframatica für 10,5 Millionen Rubel von der Firma MKT drei- und fünfjährige Zertifikate für den technischen Support von HPE-Softwareprodukten. Endnutzer der Zertifikate war die Unternehmesgruppe „Rosseti“. Im März 2022 jedoch schloss HPE russische Nutzer von seinen Systemen aus und entzog ihnen den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang erklärte „Inframatika“ die „Verweigerung der Vertragserfüllung hinsichtlich minderwertiger Waren“ und forderte MKT auf, ihr 6,4 Millionen Rubel für den nicht genutzten Zeitraum der Zertifikate zurückzuerstatten. Der Verkäufer lehnte dies ab, und der Streit endete vor Gericht.

 

Die ersten drei Instanzen wiesen die Klagen des Käufers ab. Sie waren der Ansicht, dass die Einstellung des Supports nicht in den Verantwortungsbereich des Händlers falle.

 

Aufgrund der Beschwerde des Käufers wurde der Fall an die Wirtschaftskammer des Obersten Gerichtshofs weitergeleitet, die die Entscheidungen der Vorinstanzen aufhob. Die Zertifikate bestätigten lediglich die Möglichkeit, während des vereinbarten Zeitraums technischen Support zu erhalten, stellte die Kammer fest. Es sei offensichtlich, dass das Zertifikat für die Nutzung während der angegebenen Laufzeit erworben worden sei, weshalb die Unmöglichkeit, technischen Support in Anspruch zu nehmen, die Rechte des Käufers verletze. Der Verkäufer der Zertifikate habe die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Käufer einem Dritten, nämlich HPE, übertragen. Aber nach der allgemeinen Regel des Art. 403 des russischen Zivilgesetzbuches hafte der Verkäufer für die nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung durch einen Dritten, da der Käufer den Liefervertrag gerade mit ihm abgeschlossen habe.

 

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bringt IT-Anbieter in eine äußerst ungünstige Lage und könnten dazu führen, dass das Zertifizierungsmodell für den technischen Support insgesamt aufgegeben wird. Ein ähnlicher Fall wird am 17. Dezember auf Antrag der IT-Holding T1 verhandelt, die 2022 den technischen Support für Dell-Server verloren hat. Es bleibt also spannend.